Botification für Einsteiger - das Bot Recruiting 1x1 bis zum Augmented Recruiting

Bot Robot Recruiting

Wie eröffnet man einen Blog Beitrag, dessen Überschrift futuristisch und zukunftsweisend klingt, der Inhalt aber schon gute 30-40 Jahre alt ist. Zugegeben, es ist ein wenig Definitionsfrage, aber meinen persönlichen ersten Bot hatte ich um 1997 herum. Damals lief auf meinem PC ein Spiel, welches dem Buch “Per Anhalter durch die Galaxis” nachempfunden war. Heute würde man wohl Chatbot sagen, damals hieß das noch Text-Adventure. Man konnte seine nächsten Schritte in Textform dem Spiel mitteilen und erhielt ebenfalls in Textform die Antworten.

Einem Programm vorab mitzuteilen, nach welchen Regeln es handeln soll, ist schon sehr alt. Dies in einem Chatbot zu manifestieren, ist keine geistige Errungenschaft der letzten Jahre. Und ob sie es mit Bot oder Roboter bezeichnen, ist letztlich auch gehüpft wie gesprungen: es zählt nur der Output. Weshalb also kommen nun auf einmal die Themen Robot-Recruiting, Chatbots usw. auf? Warum wird diese Sau gerade in den letzten 12-15 Monaten durch die Blogs getrieben?

Viele HR Blogger haben beeits darüber gebloggt - eine Auswahl an Beiträgen finden Sie am Ende des Artikels. Von meiner Seite aus gibt es aber dazu noch etwas zu schreiben - vielleicht lieber später als nie. Im Zusammenhang mit Bots sprechen die Getriebenen (diejenigen die sich nicht tiefergehend damit auseinandersetzen) vom Ersetzen der HRler. Die Gestalter (diejenigen, die verstehen, was sich dahinter verbirgt, wenn jemand Digitalisierung sagt) sprechen von sinnvollen Ergänzungen und Erweiterungen. Hiermit möchte ich Sie gern dazu einladen, auf Gestalter Ebene zu diskutieren. Und sollte mal eine Funktion im HR dem Bot gänzlich zum Opfer fallen, war diese ganz offensichtlich zu trivial.

Rule-based vs. AI

Was man meiner Meinung nach zunächst verstehen muss, ist, dass Chatbot nicht gleich Chatbot ist. Hier können gravierende Unterschiede bestehen, welche sich überwiegend darin ausdrücken, ob ein Rule-based Ansatz gewählt wurde, oder tatsächlich mit künstlicher Intelligenz gearbeitet wird. Für viele Anwendungsfälle reichen rule-based Ansätze völlig aus. Bots, die sich auf Karriereseiten wiederfinden oder aber beispielsweise bestimmte Fragen im Prozess stellen, um die Bewerbung zu erleichtern. Rule-based bedeutet letztlich, dass der Bot sich an vordefinierten Regeln orientiert und sich strikt an diese hält.
Betrachten wir Bots von einer Metaebene aus, so arbeiten wir schon seit vielen Jahren unbewusst mit rule-based Bots. Email Regeln oder aber auch die einfache Telefonansage, die mich als Anrufer vorqualifiziert, ist letztlich ein Bot. Die bekanntesten rule-based Bots finden sich auf der Plattform IFTTT wieder. IFTTT steht für “if this then that” und bildet sehr einfache, aber oftmals sehr wirkungsvolle Bots ab. Als Nutzer habe ich die Möglichkeit auf IFTTT zu definieren, dass wenn an einer Stelle X im Internet Y geschieht, dann soll an einer Stelle Z im Internet B geschehen. Man kann auch von einer einfachen Verknüpfung von zwei Punkten im Internet sprechen. Mit diesen sehr einfachen Möglichkeiten, kann ich bereits auf Schlagwortebene automatisiert in Netzwerken nach Kandidaten suchen: IF THIS << jemand verwendet in seinen Posts Schlagworte “XYZ” >> THEN THAT << Schreibe Name und Account dieser Person in ein Google Spreadsheet>>. Man könnte das als Startposition des Robot-Recruitings bezeichnen. Auf Basis von Dingen, die der Stellenanforderung entnommen wurden werden 24/7 Profile aus dem Internet gesucht. Diese Such-Bots habe ich in wenigen Minuten “programmiert”. Die Herausforderung besteht allerdings nicht in der Erstellung des Bots. Zunächst zu wissen, wohin man will und was man will, ist die eigentliche Challenge bei den rule-based Bots. Sie können nur genau das, was ich ihnen sage.

Nun blicken wir rüber in die neue Welt, dort wo Machine Learning und Big Data neue Rahmenbedingungen schaffen. Diese neue Welt hat Bots hervorgebracht wie VERNE und EINSTEIN (Salesforce). VERNE kann beispielsweise auf Basis bestehender Kundenkommunikation Emails vorformulieren, so dass perspektivisch die Konversation durch den Bot übernommen werden kann. Solche Bots könnten in der Bewerberkommunikation nach Bewerbungseingang vorstellbar sein. Natürlich können diese Bots Vorschläge für Besetzungen auf Basis der bestehenden Informationen durchführen. Sie lernen aus dem, was sie gesehen haben, und sich auf diese Weise weiterentwickeln. Gehen wir hier aber vor allem mit Blick auf das Robot Recruiting in die Tiefe, sollten wir nochmals den Auswahlprozess in zwei Teile untergliedern.

Fachliche Auswahl vs. Persönliche Auswahl

Die fachliche Eignung eines Kandidaten zu prüfen, ist schon schwer genug - wenn dies durch einen Bot erfolgen soll. Mit einem rule-based Ansatz ist dies nur Möglich, wenn ich genau weiß, wen ich suche. Mit einer AI Variante und einer Auswahlhistorie sowie entsprechend guten Stellenanforderungsprofilen könnte ein Bots hier sicherlich exzellente Arbeit leisten, ohne das Fachbereich und HR wirklich wissen, was sie eigentlich wollen.
Fügen wir der Auswahl aber die komplexe Komponente der Persönlichkeit hinzu, wird es CRAZY.

Wir sprechen dann von automatisiert generierten Persönlichkeitsanalysen. Wir sind noch ein gutes Stück vom Ziel entfernt, wenn wir uns über den vollautomatischen Einsatz dieser Tools im Auswahlprozess unterhalten wollen. Hier wird eine Vollautomatisierung nicht so bald erfolgen. Ich selbst bin ein großer Fan von CrystalKnows, Precire und Watson Personality Insights sowie all den anderen Tools, die sich derzeit diesem Thema nähern. Trotzdem halte ich die automatische Zuordnung von Organisation, Person, Team und Stelle aktuell für nicht valide machbar. Wenn Sie mich fragen, ob dies kommen wird, dann kann ich Ihnen sagen: ja, es wird kommen. ABER: es ist noch nicht soweit. Ein wunderbarer Beitrag wurde zu diesem Thema von Professor Dr. Kanning veröffentlicht: Big Data in der Personalauswahl - Viel Lärm um nichts. Die zunehmende Digitalisierung hat letztlich auch zur Folge, dass man viele Dinge viel stärker hinterfragen muss, und wenn ich Crystal heute schon sehr beeindruckend finde, muss ich mir ansehen, wo es einsetzbar ist. Die automatisierte Personalauswahl ist es “noch” nicht. Aber das Einsatzfeld Sourcing kann von diesem Tool profitieren, solange man weiß, wie man damit umzugeht. Man sollte sich immer ansehen, ob man mit einem Tool tatsächlich besser gestellt ist als vorher.

Der erste Schritt beim Bot-Einstieg

Wie so oft spielt Logik eine wichtige Rolle und Sie sollten sich überlegen, was Sie mit dem Einsatz eines Bots bezwecken wollen. Zudem - und das erscheint mir noch nicht ausreichend erfolgt - muss ich die Stärken und Schwächen der verschiedenen Bot Varianten kennen, um diese so einzusetzen, dass meine Schwächen als Rekrutier abgedeckt werden. Ich betrachte also in Ruhe meinen Prozess, picke die Schwachstellen heraus und vergleiche diese dann mit den Fähigkeiten der Bots, die mir zur Verfügung stehen. Wenn ein Bot einen Prozessschritt besser, schneller, ausdauernde oder alles zusammen erledigen kann, dann nehme ich den Bot. Wenn dies noch nicht der Fall ist, dann bleibe ich bei einer menschlichen Besetzung der Rolle.

Augmented Recruiting

Es bedarf meiner Meinung nach ein wenig Zeit, bis man sich in diese Themen eingedacht hat. Aber schauen Sie sich um: kaum ein Messenger kommt noch ohne Bots aus. Facebook war einer der ersten, der es seinen Nutzern ermöglichte eigene Bots zu programmieren - das ist nun ein gutes Jahr her. Damals brauchten Sie noch richtige Programmierkenntnisse. Heute lassen sich Bots für die verschiedensten Messenger einfach per Drag and Drop zusammenstellen auf Plattformen wie flowxo https://flowxo.com/. Facebook launchte vor wenigen Monaten die Group Chat Bot Funktion. Slack arbeitet schon seit “Jahren” mit einem eigenen Bot und hat mittlerweile etliche weitere Bots im Angebot, die mich unterstützen - auch im Recruiting: Wade&Wendy sind AI Bots (für Slack), die noch nicht ausgereift sind, mir aber schon eine Idee davon geben, wohin die Reise gehen könnte. Wohin das Auge sieht - überall Bots. Aber nach wie vor auch überall noch Menschen. Damit kommen wir zum letzten wichtigen Punkt im Bot Recruiting 1x1: Augmented Recruiting. Im Recruiting geht es nicht darum, den Rekrutier zu ersetzen (heute noch nicht). Wenn wir über Bots im Recruiting sprechen, sollten wir darüber diskutieren den Rekrutier zu erweitern. Seine Schwächen durch die Stärken von Bots zu ersetzen und ihn zum Super-Recruiter werden zu lassen. Augmented Recruiting - erweitertes Recruiting - ist für mich hier das Stichwort. Ich kann Jahre damit verschwenden einen Bot zu kreieren, der einen Rekrutier ersetzt. Oder aber, ich setze mich hin und kann heute schon Recruiter extrem effizient und effektiv gestalten, indem ich ihnen eine kleine Bot-Arme an die Hand gebe. Wer von Ihnen stattet Rekrutier denn heute schon mit einem entsprechenden Bot-Set aus? Machbar und effizienzsteigernd ist das, wie gesagt, schon heute.

Wenn ich verstanden habe, wie Bots funktionieren, was sie tatsächlich können und welche Art von Bots es heute gibt, kann ich meine HR Organisation völlig anders denken - Augmented HR eben.

Sorry, dass dies ein so langer Beitrag geworden ist. Ich könnte noch Stunden weiter schreiben, werde dies aber auf nachfolgende Artikel verteilen. Wer aber vorab schon mal Lust hat, mit mir über diese Themen zu diskutieren und eben genau diese Wissensebene zu erreichen, auf der es dann auch Sinn macht über Bot Recruiting zu sprechen, sollte am 28.11. nach Stuttgart zum hr|tmorrow LAB kommen. Sie werden merken, dass wenn man bereits eine mögliche Variante der Zukunft begriffen hat, das Heute völlig anders aussieht.

Wer weitere Beiträge zum Thema Blog sofort lesen möchte, den möchte ich gern an dieser Stelle auf hr is not a crime verweisen. Dreh dich nicht um, der Bot geht rum ...? beinhaltet weitere spannende Basics zum Thema Bot. Jo Diercks hatte das Thema schon vor einem Jahr sehr gut aufbereitet. Den Beitrag finden Sie hier: Chat Bots im Recruiting? Denkt doch mal weiter.