Wird die Videobewerbung kommen? 3 Denkfehler

Videobewerbung

Anlass meines Posts heute ist die TalentPro, die gestern in München stattfand. Auf der Messe hatte ich die Gelegenheit mich auf dem Podium in einer illustren Runde über Video im Recruiting auszutauschen. Dabei sei vorab erwähnt, dass Video im Recruiting nicht trivial ist. Als Arbeitgeber habe ich verschiedene Punkte, an denen ich das Medium einsetzen kann. So kann ich von Employer Branding Image Film über Video Live Streams bis zur Stellenanzeige mit Video gehen. Blicken wir stärker auf den Bewerbungsprozess, so habe ich dort erneut verschiedene Ansätze, um mit Video zu arbeiten. Einerseits kann ich vor “Checkin” damit arbeiten - d.h. die Videobewerbung zulassen (entweder strukturiert entlang von Fragen oder unstrukturiert) - oder aber nach “Checkin” (der Bewerbung) im Interview- und Auswahlprozess als Skypeinterview (synchron) oder als zeitversetztes Videointerview (asynchron). Möglichkeiten gibt es im Grunde noch viel mehr, die sich meiner Meinung nach dann aber auf eines dieser Felder herunterbrechen lassen.
Die allgemeine Diskussion geht nun in die Richtung, dass Unternehmen meiner Meinung nach drei Denkfehler begehen.

Denkfehler 1:

“Wir überlegen, bei welcher Zielgruppe wir Videobewerbung einsetzen sollen. Es sind ja die jüngeren Zielgruppen, wenn überhaupt, die das attraktiv finden.”

Meiner Meinung nach ist Videobewerbung kein Personalmarketingtool und auch keine App, sondern eine Bewerbungsmethode - d.h. eine von mehreren Methoden/ Möglichkeiten (Papier, Email, etc.) mit der ich meine Bewerbung hinterlassen kann bzw. welches ich als Vehikel nutzen kann, um meine Informationen zum potentiellen Arbeitgeber zu bringen.

Denkfehler 2:

“Das ist nichts für die älteren Zielgruppen und auch Ingenieure sowie ITler werden davon eher abgeschreckt.”

Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Einführung der Videobewerbung unmittelbar zur Folge hat, dass die bisherigen Bewerbungsmethoden (Email, Papier, OnlineFormular, etc.) abgeschaltet werden. Das entscheiden doch in der Regel die HRler selbst.

Denkfehler 3:

“Eine reine Videobewerbung könnten wir gar nicht verarbeiten. Der/ Die muss sich auf jeden Fall nochmal “klassisch” bewerben und das Video sollte mit vorgegebenen Fragen geführt sein. Was für einen Aufwand das sonst produzieren würde - das ins System bei uns zu bekommen. Keine Chance. Wer soll das machen? Ein Recruiter, der die Videos transkribiert?”

Die Bewerber interessiert, wie viel Aufwand wir mit welcher Bewerbungsform haben. .NOT
Übrigens ist eine geführte Videobewerbung durch Fragen auch nur der schwache Versuch das Medium Papier/Word in Video zu simulieren. Das ist leider ein anderes Medium.

Stellen Sie sich einmal folgende Situation vor. Ein Online Shop eröffnet frisch aus dem Ei gepellt. Eine heiße Diskussion entfacht unter den Sales Mitarbeitern über das Angebot der Zahlmethoden. Soll es VISA sein oder doch Mastercard oder beides und wie siehts aus mit so neumodischem Kram wie PayPal? Man wird sich nicht einig und guckt in die Zahlen. Uhhhh nur 20% der Kunden würden mit PayPal zahlen. Lassen Sie uns lieber nicht alle Produkte damit ausstatten. Nur ein paar wenige, von denen wir wissen, dass TEC affine Kunden diese Kaufen - nur diese erhalten im Bezahlvorgang die zusätzliche Option Paypal.
Meine Vermutung wäre, dass die Kündigungsschreiben für diese Truppe schon unterwegs sind. Kein Laden würde freiwillig auf 20% der Kunden verzichten. Lassen Sie es 10% oder gar nur 5% sein, niemand wird einfach so auf den Umsatz verzichten. Nur weil die meisten Kunden die Methode nicht nutzen würden?

Klar muss das im Verhältnis stehen. Und wenn der Aufwand eine Videobewerbung bei Ihnen im Unternehmen einzuführen teurer ist, als Stellen unbesetzt zu lassen, dann ist das so. Das kann auch durch aus sein. Mir ist völlig bewusst, dass reine Videobewerbungen heute noch tatsächlich viel Aufwand produzieren. Das wird sich dank moderner Technologie sicher bald ändern (automatisiertes Transkribieren in Echtzeit), aber heute noch nicht, so dass man abwägen muss. Dies ist aber auch das einzige Argument, welches ich gegen Videobewerbung zulasse;-)